Monatsprogramm Juni 2016

Der König von Bastøy – Film (norw. Ut: Frz.) – mi 15. JUni., 19:00
Die anarchistische Bewegung von Lyon Ende 19. Jahrhundert – Vortrag und Diskussion -sa 25. JUni, 19:00
Das Mosaik des nahen Ostens – Diskussion – sa. 2. JUli, 19:00

DER KÖNIG VON BASTØY

Film (Norwegisch, Untertitel: Deutsch.)
Mittwoch 15. Juni, 19:00

Eine Gruppe straffälliger Jugendlicher lebt auf einer katholischen Gefängnisinsel, der norwegischen Bastøy, unter dem strengen Regime und den täglichen Demütigungen der Aufseher. Als ein aufmüpfiger Heran- wachsender im Lager ankommt, der sich zu wehren beginnt, wagen auch einige seiner Leidensgenossen den Widerstand. Mitten im unerbittlich kalten Winter starten die Insassen eine Meuterei, wie hoffnungslos sie auch scheinen mag, um ihre Würde zu- rückzuerobern.

DIE ANARCHISTISCHE BEWEGUNG VON LYON ENDE 19. JAHRHUNDERT

Präsentation und Diskussion (Englisch/Deutsch)
Samstag 25. Juni, 19:00

Ende 19. Jahrhundert, nach dem Fall der Pariser Kommune (1871) und unter der Repression gegen die aufständischen Bewegungen in verschiedenen Städten Frankreichs, ist Lyon, durch die besonde- re geografischen Lage, zu einem Herd für die anarchistische Agitation und Idee in Frankreich geworden. Die Absicht dieses Vortrags, durch eine Kontextualisierung und den Zugriff auf die anarchistischen Zeitungen dieser Zeit (aufindbar im Archiv der Bibliothek Fermento), ist es weniger, von einer weit zurückliegenden historischen Erfahrung zu sprechen, sondern, über die Probleme und Fragen zu sprechen, mit denen sich die Anarchisten von Lyon konfrontiert sahen, Probleme, die überraschenderweise, obwohl nun fast 150 Jahre vergangen sind, nicht so verschieden sind von den Problemen, mit denen wir uns heute konfrontiert sehen.

DAS MOSAIK DES NAHEN OSTENS

Diskussion
Samstag 2. Juli, 19:00

Einmal mehr sehen sich die Länder des Na- hen Ostens im Brennpunkt internationaler Ränkespiele und in einer Situation extremer Spannungen. Dieses Gebiet, ein reichhaltiges Mosaik aus Geschichten und Kulturen, aber auch aus Kriegen und Massakern, wird wohl auch in den kommenden Jahren keine Ruhe kennen. Von der verbrannten Erde des syrischen Bürgerkriegs, der von verschiedenen Machtinteressen gefördert wurde, um eine revolutionäre Bewegung unter sich zu begraben; über die kurdischen Befreiungsbestrebungen zwischen Syrien, Iran, Irak und einer immer faschistischeren Türkei; bis zum nie enden wollenden Leidensweg der Palästinenser, die seit Generationen unter militärischer Besatzung noch immer revoltieren. Wie können wir die gegenwärtigen Entwicklungen im Nahen Osten interpretieren? Wie ist die zunehmende Islamisierung zu bewerten?Was sind die Interessen, die im Spiel sind? Wie sind diese Interessen mit den herrschenden Klassen unserer Breitengrade verknüpft? Wie können wir den aufständischen und antistaatlichen Bewegungen zur Seite stehen?
[Wir empfehlen zu dieser Diskussion die Lektüre des Textes Insurrektionalistische Antiautoritäre Internationale im gleichnamigen Buch, das auch im Fermento erhältlich ist.]

—————————————————————————————————-

Syriens verbrannte Erde
BUCHREZENSION

[Leila al-Shami und Robin Yassin-Kassab, Burning Country. Syrians in Revolution and War, 262 Seiten, London 2016]

Wohl der bisher best dokumentierte Bericht und eine der schärfsten Analysen über die Wenden und Wirrungen der syrischen Revolution. Während die revoluti- onäre Linke des Westens auf Rojava blickt, meist völlig unkritisch eine Partei-Re- volution bejubelnd, sah sich der Rest der syrischen Revolution, der keine interna- tionale Lobby für sich hatte, meist mit einfachen Stereotypen abgefertigt und unter geringer Beachtung abgeschlachtet. Eine gewiss nicht leichte Lektüre für das Herz, zeigt dieses Buch auf, wie ein von einem generalisierten Aufstand bedrohtes Regime sich aufrechterhält, indem es alle Karten der Macht ausspielt: die Propagan- da von Falschinformationen, das Gegeneinander-Ausspielen von religiösen und ethnischen Gruppierungen, die Verwandlung des Aufbegehrens in einen rein mili- tärischen Konflikt, und vor allem die Ermattung jedes Freiheitsverlangens durch unsägliche repressive Gewalt.
Ein Aufstand, der, inspiriert vom Ara- bischen Frühling, mit Forderungen nach Würde und Freiheit begann, unbeachtet der ethnischen oder sektiererischen Dif- ferenzen, wurde so, mit Erschiessungen, Bomben und Folter, immer mehr ins religiöse Martyrium getrieben, woraus Dschihadisten wie der Islamische Staat schliesslich ihren Profit zogen. Die syrischen Revolutionäre fanden sich zwischen allen Fronten wieder, gegen Assad sowie den IS, während noch dazu Russland und die USA heuchlerisch ihre Bomben auf meist ihre Gebiete fallen liessen. All das hat den Reihen des religiösen Fanatismus nur zu Gute kommen können.

Aber Leila und Robin verlieren sich nicht in einer oberflächlichen Gegenüber- stellung von Fraktionen und Ideologien, sondern sprechen in erster Linie von der Initiative der Leute: von den anfänglichen Protesten und Demonstrationen bis zum Aufbau von bewaffneten Milizen, um Ge- biete von den Regimekräften zu befrei- en und zu verteidigen, Gebiete, in denen ausgehend von Basisstrukturen (inspiriert von unter anderem dem syrischen Anar- chisten Omar Aziz) ein Gemeindeleben ohne den Staat organisiert wurde.

Sicher, es ist einfacher, sich in den abstrakten Idealen eines schön geordneten Laufs der Dinge zu verschliessen, als sich den Widersprüchen der Realität zu stellen, die mit ersteren eigentlich nie etwas zu tun haben, ganz besonders dann, wenn es um soziale Umwälzungen geht. Doch wer das gegenwärtige Mosaik von Konflikten im immer mehr vom staatlichen Zerfall gezeichneten Nahen Osten verstehen, und sich aber auch deren revolutionäre Entwicklungsmöglichkeiten zu Herzen nehmen will, wird nicht umhin kommen, sich mit der verbrannten Erde Syriens auseinanderzusetzen.

Um es mit den Worten der Autoren zu sagen: «Syrien zeigt ernstzunehmende Pro- bleme auf, die es von Revolutionären überall zu bedenken gilt. Erstens, Revolutionen sind in der wirklichen Welt (im Gegensatz zu Elfenbeintürmen) immer ein schmutziges Durcheinander. Sobald die Staatsmacht geschwächt ist, werden sich äussere Staatsinteressen ins Getümmel stürzen, im Bestreben, potentielle zukünftige Regierungen zu beeinflussen, mit rivalisierenden Staaten zu ringen, und revolutionäre Energien zu manipulieren, umzuformen und zu zähmen. Zweitens, Staaten – manchmal sogar vermeintlich feindliche Staaten – werden einander, direkt oder indirekt, zur Rettung kommen, sollte tatsächlich die Möglichkeit beste- hen, dass die Macht den Eliten aus den Händen gleitet. Drittens, oft wird ihnen dabei geholfen vonKommentatoren,einschliesslichvermeint- lichen “Linken” und “Andersgesinnten”, deren Fixierung auf Staaten sie dazu führt, Konflikte wie ein Schachspiel zwischen “besser” und “schlimmer” zu betrachten und die Leute zu ignorieren, die unter diesen Staaten leiden und gegen sie kämpfen.»
[Zuerst publiziert in Dissonanz, Nr. 25, Zürich]
[Das Buch ist in der anarchistischen Bibliothek Fermento erhältlich]

This entry was posted in General. Bookmark the permalink.